Gletscherbergungskurs am Dachstein

 

Hinunter ins ewige Eis

Ein bisschen Schiss hatte ich schon vor diesem Ausflug, denn ich war zwar schon oft zum Skifahren auf Gletschern unterwegs, habe mich dort aber in der Regel - aus Angst vor den Spalten - an die gekennzeichneten Pisten gehalten.

Nun sollte es also gezielt darum gehen, auf einen Gletscher zu steigen, um alle Grundlagen für eine eigenständige Hochtourenplanung zu erlernen.

Das Programm:

Ausrüstungs- und Materialkunde, Knoten und Anseilmethoden, Tritt- und Sturzschulung, Technikprogramm Pickel und Steigeisen, Mehrseillängenklettern, effiziente Sicherungsmethoden und Standplatzlösungen auf Hochtouren, Bergetechniken, Bergrettungsübungen, Spaltenbergungen, Verankerungen in Fels, Eis und Schnee, Kartenkunde und Orientieren mit Bussole, Verhalten bei Unfällen, Alpine Gefahren, Tourenplanung, Gipfeltour.
Ganz schön viel für jemanden, der bisher weder Klettererfahrung hat, noch je mit einem Eispickel unterwegs war. Aber gut, schließlich wachsen wir mit unseren Aufgaben...Wir haben uns für den Kurs mit einem staatlich geprüften Bergführer der Alpinschule Steiermark entschieden. Die Website ist ausführlich und ansprechend, der Preis okay und der verfügbare Zeitraum passt gut für unsere bunt zusammengewürfelte Gruppe.

 

Tag 1 – Schnee und Knoten

Die Schwierigkeiten beginnen bereits mit der Anreise, denn wir haben uns entschlossen, Samstagmorgens anzureisen und stehen leider erstmal 2,5 Stunden im Stau, so dass wir, statt um 9 Uhr erst um 11:30 Uhr am vereinbarten Treffpunkt am Berghotel Türlwandhütte eintreffen. Aber ein noch schwerwiegenderes Problem stellt sich uns entgegen: Das Wetter. Denn obwohl es Ende August ist, zeigt sich der Dachsteingletscher in Nebel gehüllt und wir hören, dass es oben auf dem Berg schneit.

Keine guten Voraussetzungen, um mit einer unerfahrenen Gruppe den Gletscher zur Simony Hütte aufzusteigen. Nachdem sich unser Bergführer Bernhard ausgiebig informiert hat steht fest:
Wir müssen heute unten bleiben. Und so beginnen wir unseren Kurs mit Knotenübungen im Keller eines Gasthofes im Tal.

Ich finde das gar nicht so schlecht. So kann ich erstmal ein paar Grundlagen schaffen, den Bergführer besser kennenlernen - denn Vertrauen ist schließlich wichtig - und die Angst vor dem Gletscher mit seinen klaffenden Spalten noch etwas aufschieben.

 

Diese Knoten sollten vor der Hochtour sitzen:

HMS

Mastwurf (für die Selbstsicherung)

Prusikknoten

Kreuzklemmknoten

Zu allen Knoten gibt es tolle Tutorials auf You Tube.

Wir lernen außerdem, wie man richtig sichert und einen Standplatz baut. Zwar bin ich die einzige in unserer Gruppe, die gar keine Klettererfahrung mitbringt, ich merke aber schnell, dass meine Kammeraden für die Auffrischung ihrer Kenntnisse auch ganz dankbar sind.

Tag 2 – Auf zur Hütte

Das Wetter meint es nicht gut mit uns, denn es schneit und windet noch immer auf dem Dachstein. Jedoch sind wir heute immerhin ein bisschen früher dran, die Sicht soll ein wenig besser sein und am Nachmittag soll angeblich sogar die Sonne herauskommen. Daher beschließen wir, die Auffahrt zu wagen.

Wir fahren mit der Seilbahn bis zur Bergstation. Von dort geht es ein kleines Stück hinauf am Taubenkogel vorbei. Zu diesem Zeitpunkt sind wir vom peitschenden Wind und feuchtnassen Schneeregen schon so durchgefroren, dass wir uns in einer kleinen Hütte erstmal einen Tee bestellen.

Anschließend heißt es anseilen, denn jetzt betreten wir zu ersten mal Gletschergebiet. Dafür geht es von hier an eigentlich nur noch bergab.

Wir lernen:

- eine 4 er-Seilschaft hält 8 Meter Abstand

- 3 er-Seilschaft: 10 Meter
(bei spaltenreichem Gletscher zusätzlich 3 Bremsknoten à 1,5  Meter Abstand)

- 2 er-Seilschaft: 12 Meter
(bei spaltenreichem Gletscher zusätzlich 3 Bremsknoten à 1,5  Meter Abstand)

Und wir wandern los. Teilweise geht es über den Gletscher, teilweise über Fels, mit dem Pickel in der Hand und Steigeisen an den Füßen und ich fühle mich schon richtig wie bei einer Antarktis-Expedition. Der Wind peitscht und unter unseren Füßen tun sich nahe der vorgefertigten Abstiegsspur immer wieder Spalten auf. Ich sehe noch, dass wir gleich eine leicht eingeschneite Spalte überqueren und zack – schon stecke ich mit dem linken Bein bis zur Hüfte im Schnee. Meine erste körpernahe Begegnung mit einer echten Gletscherspalte. Zum Glück ist sie nur gerade breit genug für mein Bein.

Als wir schließlich an der Hütte ankommen, lichten sich die Wolken etwas und wir sind alle froh und freuen und auf eine heiße Suppe und ein kühles Bier.

Später üben wir noch ein bisschen Knoten und lernen, die wichtigsten Techniken zur Spaltenbergung in der Trockenübung. Dann geht es ab ins Bettenlager.

Tag 3 - Spaltenbergung

Die Sonne scheint und heute geht es raus auf den Gletscher. Wahnsinn! Ich habe noch nie einen Gletscher von so nah gesehen. Meterweit und -tief klaffen die Spalten vor uns auf. Aber klar, jetzt im August sind sie natürlich besonders präsent. Ich habe mir das nie bewusst gemacht, aber was unser Bergführer erklärt, ist absolut logisch: Im Winter wirkt der Gletscher weniger bedrohlich. Wenn meterhoher Schnee den Gletscher bedeckt und die Spalten verschließt. Dann sind sie zwar gefährlich, weil wir sie nicht sehen können und es passiert, dass eine scheinbar feste Schneedecke auf einmal einsinkt und sich darunter eine riesige Spalte auftut. Aber die Spalten sind im Winter in der Regel weniger tief, weil mit Pulverschnee aufgefüllt.

Jetzt im August ist der Schnee maximal abgetaut. Ganz nackt liegt das ewige Eis mit seinen Spalten vor uns. Und in diese klaffenden Gletschermäuler sollen wir jetzt also hinabsteigen, um die Spaltenbergung zu lernen.

Aber zunächst zeigt Bernhard uns noch, wie wir uns am Gletscher richtig aufwärts und abwärts bewegen, wie wir richtig mit dem Eispickel und Eisschrauben umgehen und zuletzt wie wir uns mit zwei Eispickeln und Steigeisen selbst aus einer Gletscherspalte befreien können. Ich fühle mich dabei ein bisschen wie Hulk. Nicht ganz so grün und muskulös, aber doch ein bisschen, als hätte ich Superkräfte.

Nach einer kurzen Stärkung in der Hütte geht das Training am Fels weiter. Hier beginnt die eigentliche Herausforderung für mich: Ich bin quasi in Schnee aufgewachsen. Und auch wenn die Gletscherspalten natürlich beängstigend sind, so sind sie mir doch nicht so fremd wie der harte, kahle Fels.

Denn habe ich schon erwähnt, dass ich Höhenangst habe? Lächerlich extreme Höhenangst. Mir wird quasi schwindelig, wenn ich nur auf eine Haushaltsleiter steige. Und nun das!

An einem extra zur Übung vorgesehenen Fels mit Bohrhaken wenden wir die die Techniken zur Spaltenbergung an, die wir gestern in der Hütte bereits gelernt haben. Hierfür muss immer einer am Seil über dem Felsvorsprung auf seine Rettung aus der imaginären Spalte warten und ich muss sagen, die tatsächliche Spalte wäre mir fast lieber, als der felsige Boden 5 Meter unter mir.

Doch am Ende bin ich stolz, das ganze Programm geschafft zu haben.

Tag 4 - Dachstein Besteigung – oder auch nicht

Eigentlich hatten wir vor heute den Dachstein zu besteigen. Doch es gibt einen Faktor, gegen den man am Berg leider völlig machtlos ist: Das Wetter.

Und das meint es leider wieder nicht gut mit uns. Nebel und Regen suchen uns heute auf dem Dachstein heim und vor allem wegen der schlechten Sicht müssen wir uns leider von unserem Vorhaben verabschieden.

Stattdessen üben wir noch den "Toten Mann" (Spaltenbergung mit Hilfe eines im Schnee vergrabenen Eispickels) und treten dann die Rückreise an.

Mein Fazit: Ich konnte sowohl meine Angst vor dem Gletscher als auch vor der Höhe und dem Fels wenigstens teilweise besiegen. Bernhard von der Alpinschule Steiermark war sehr geduldig, aber auch pusht genug, um mich zu motivieren. Nach diesem Lehrgang habe ich definitiv Lust auf mehr!

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