Mittenwalder Höhenweg

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Spätsommer im Karwendel

Es ist noch früh, der Zeiger meiner Uhr hat sich kaum über die Sechs-Uhr-Marke geschoben, doch am Münchner Hauptbahnhof herrscht schon reger Betrieb. Oder sollte ich sagen NOCH? Denn die Menschen, die hier in zerknitterten Trachten biwakieren, sehen aus, als hätten sie nach dem Feiern nicht mehr nach Hause gefunden oder doch nicht ganz bis zum Eintreffen des ersten Zuges durchgehalten.


Ausgangspunkt:
Bergstation der Karwendelbahn in Mittenwald

Höhenmeter:
ca. 500 hm Auf-, ca. 1400 hm Abstieg

Länge:
ca. 13 km

Gehzeit:
ca. 6-8 Stunden

Schwierigkeit:
leichter bis mittelschwerer Klettersteig (A/B) - Schwindelfreiheit, Trittsicherheit, Kondition

Klettersteigausrüstung:
Gurt, Klettersteigset, Helm feste Wanderschuhe, Stöcke für den Abstieg


Es ist Wiesn-Zeit. Eine Zeit, auf die sich die Münchner genauso freuen, wie die Touristen, die jetzt in die Stadt strömen. Ein anderer Teil der Gesellschaft flieht lieber vor dem Ausnahmezustand und kommt erst zurück, wenn wieder Ruhe eingekehrt ist. Ein säuerlicher Geruch liegt in der Luft, während ich konzentriert mit meinen Bergstiefeln um die zahlreichen Tretmienen aus Erbrochenem navigiere. Auf einmal ist das frühe Aufstehen nicht mehr so schlimm. Ich freue mich über meinen zwar müden, aber doch klaren Kopf und einen Samstag außerhalb der Stadt.

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Langsam rollt der Zug aus dem Bahnhof und während die noch kalte Spätsommer-Sonne die neblige Landschaft in ein kühles Licht taucht, dösen wir noch etwas vor uns hin und freuen uns, dass keiner von uns am Steuer sitzen muss. Wie entspannt so eine Zugfahrt in die Berge doch ist! 

Der Umstieg in Garmisch läuft problemlos. Etwas später wären auch Züge direkt nach Mittenwald gefahren, aber wir wollten zeitig los, um die erste Gondel der Karwendelbahn zu erwischen. Vom Bahnsteig in Mittenwald führt ein kurzer Fußweg zur Talstation, wo wir unsere Geister mit einem guten Frühstücks-Kaffee beleben, während wir auf die Abfahrt der Gondel warten.

Schnell hat sich die Sonne gegen die Nebelfelder durchgesetzt und als wir in der Gondel hoch auf den Berg schweben, genießen wir bereits eine tolle Aussicht über das wunderschöne Karwendelgebirge und die ganze Zugspitz Region.

Am Einstieg in den Steig legen wir unsere Klettergurte an und setzen unsere Helme auf. Der Mittenwalder Höhenweg gilt als Genusstour. Dennoch passiert man auf der Gratwanderung einige kritische Stellen, an denen Steinschlaggefahr herrscht oder an denen aufgrund ihrer Exponiertheit Absturzgefahr besteht.  

Es wird immer wärmer. Den Sommer über ist unsere Planung dieser Tour mehrfach – im wahrsten Sinne des Wortes – ins Wasser gefallen. Wer hätte gedacht, dass uns der September noch einmal so einen schönen Sonnentag bescheren würde? Wohl dem, der heute Morgen an die Sonnencreme gedacht hat.

Zwischen steileren Passagen mit Drahtseil-Versicherung und Eisenleitern durchqueren wir immer wieder liebliches Gehgelände. Das ist einer der Gründe, die diesen Höhenweg so empfehlenswert machen: Die Abwechslung zwischen Anspannung und Konzentration auf der einen und Abschalten und Genießen auf der anderen Seite. Während wir die hochgelegenen Pfade entlang schlendern, die sich hier spielerisch verschlungen über den Grat und um Felsblöcke schlängeln, finden wir genug Muse, uns der fantastischen Aussicht hinzugeben, die uns hier oben umgibt.

Obwohl der Steig Ende September auch am Wochenende nicht mehr so überlaufen ist, staut es sich an einer der Leitern. Da man direkt vorab eine längere, steinschlaggefährdete Stelle durchqueren muss, nutzen wir die Zeit für eine kurze Trinkpause und lassen unsere Blicke über die Landschaft schweifen. Erst als die Wanderer vor uns über den Engpass gestiegen sind, gehen wir zügig weiter, um möglichst wenig Risiko einzugehen. Neben der neu angelegten, massiven Leiter, über die wir steigen, wird gerade ein rostiges, älteres Modell abgetragen. Wir sind froh, dass der 1973 eröffnete Klettersteig regelmäßig gewartet wird.

Hinter der Sulzleklammspitze (2321 m) wird es flacher. Wir gehen an einigen rastenden Wanderern vorbei, die sich mit roten, erhitzten Köpfen vom letzten, steilen Anstieg erholen. Nur ein kleines Stückchen weiter finden wir einen ruhigen Platz für eine kurze Rast. Kaum haben wir unsere Brotzeit ausgepackt, beginnen schon zahlreiche Bergdohlen, sich an unsere Rucksäcke und Brotdosen heranzupirschen.

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Die steilsten Stücke sind geschafft. Wenig später beginnt der Abstieg Richtung Brunnsteinanger (2082 m), wo die Beschilderung zur Brunnsteinhütte (1523 m) uns beim Gedanken an ein kühles Bier das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Glücklicherweise sind wir mit der Bahn angereist und können so guten Gewissens unsere Belohnung für die heute verbrannten Kalorien genießen.

In der Brunnsteinhütte tummeln sich jede Menge Wanderer, die ihre glücklichen Gesichter in die Sonne recken. Hier herrscht T-Shirt-Wetter. Wem der Mittenwalder Höhenweg zu schwierig oder zu lang ist, kann die urige Alpenvereinshütte auch in circa eineinhalb Stunden direkt vom Tal erreichen. 

Die Brunnsteinhütte ist Teil der Aktion Klimamenue mit der sich die Zugspitz Region für eine Vernetzung zwischen regionalen Herstellern und Wirten einsetzt. So werden Lieferwege verkürzt und die regionale, traditionelle Landschaftskultur gefördert. Daher kommen hier Gerichte aus Produkten von Bauer Noder auf den Teller. Die Hütte besitzt außerdem das Umweltsiegel des Deutschen Alpenvereins.

Frisch gestärkt beginnt der schattige Abstieg durch den Wald, wo uns unweit der Hütte ein halber Streichelzoo über den Weg läuft. Im Tal angekommen geht es flach über Feldwege parallel zu Bundesstraße zurück nach Mittenwald, wo wir einen direkten Zug zurück nach München erwischen.

Ein weiteres Abenteuer in der schönen Zugspitz Region geht zu Ende. Wer lange Wanderungen mit Panorama und einem gewissen technischen Anspruch liebt, lege ich diese Tour ans Herz. Die beste Zeit für den Mittenwalder Klettersteig ist Juni bis Oktober. Für uns war die Tour im Spätsommer besonders schön, weil dann nicht mehr ganz so viele Wanderer unterwegs sind und es sich an den Schlüsselstellen und in der Hütte nicht so staut. 

Achtung: Sehr früh und spät im Jahr müsst ihr unbedingt die Schneelage checken, weil in den hohen Lagen lange noch und bereits früh wieder Schnee fallen kann. Im Sommer solltet ihr euch über mögliche Wärmegewitter am Nachmittag informieren und entsprechend früh losgehen. Viel Spaß beim Wandern!